Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie auf den Arbeitsmarkt auf Fuerteventura sind katastrophal.
Über 15.000 Menschen sind zurzeit auf Fuerteventura offiziell arbeitslos.
Dabei sind tausende von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverträge durch ein sogenanntes ERTE vorübergehend auf Eis liegen, noch gar nicht mitgezählt. Das bedeutet, dass die Zahl der Menschen, die nichts zu tun hat, noch wesentlich höher ist als die offizielle Zahl der Arbeitssuchenden.
Doch hinter den fatalen Zahlen, die zweifelsfrei eine Folge der Coronapandemie sind, verbirgt sich ein weiteres, viel tiefer gehendes strukturelles Problem: mangelnde Bildung und Ausbildung der Bevölkerung.
Die Stiftung für Bildungsförderung „Radio Ecca“ hat darauf hingewiesen, dass rund 70% der Menschen auf Fuerteventura, die derzeit arbeitslos sind, keinen Schulabschluss haben. Außerdem werde dieser Anteil immer höher, erklärte die Delegierte von Radio Ecca auf Fuerteventura, Carmen Nieves Hernández, in einem Radiointerview bei Radio Insular.
Der Grund dafür liege darin, dass zu Zeiten des Tourismusbooms viele junge Menschen sich entschieden haben, die Schule abzubrechen und im Dienstleistungssektor zu arbeiten. Damals sei es einfach gewesen, ohne Ausbildung einen Job zu bekommen und gutes Geld zu verdienen.
Doch der Arbeitsmark werde immer anspruchsvoller und die Unternehmen würden Jobs bevorzugt Personen anbieten, die mindestens die Pflichtschule (ESO) beendet oder gar Bachillerato (Abitur) gemacht haben.
Daher gestaltet sich die Jobsuche für Personen ohne die geforderte Ausbildung schwierig und diejenigen ohne Schulabschluss bleiben auf der Strecke.
Steine schleppen und Tische abräumen statt Schulbank drücken
Tatsächlich war es auf Fuerteventura für die letzten drei Generationen oftmals verlockender, bei boomendem Tourismus und explodierender Bauwirtschaft als junger Mensch „richtig Kohle zu machen“ statt weiter die Schulbank zu drücken. Mit 16 Jahren war die Schulpflicht vorbei, egal ob mit oder ohne Schulabschluss.
Während in anderen Ländern einschlägige Ausbildungen im Bereich des Gastgewerbes mindestens zwei Jahre dauern, konnte man auf Fuerteventura auch ohne Ausbildung im Hotel oder Restaurant „Tische abräumen“ oder „Zimmer putzen“. Die meisten, die wollten, fanden bei guter Konjunkturlage schnell einen Job. Und die Kombination aus Lohn und Trinkgeldern reichte meist für ein verhältnismäßig gutes Auskommen.
Ähnliches galt bis zur Finanzkrise 2008 auch im Bausektor auf Fuerteventura. Wer genug Muckis hatte, um Zementsäcke oder Steine zu schleppen, fand leicht einen Job, der dank Bauboom selbst für Ungelernte schon einen ordentlichen Lohn einbrachte.
Wer nicht gerade zwei linke Hände hatte, konnte nach ein paar Wochen Praxis zum Maurer oder Fliesenleger aufsteigen und Geld verdienen, von dem gelernte Handwerksgesellen in Deutschland zur selben Zeit wohl nur träumen konnten.
Wenn also drei Generationen auf Fuerteventura von ihren Eltern vorgelebt bekamen, dass man auch ohne Schulabschluss ein sorgenfreies Leben führen kann, ist es nicht verwunderlich, dass der Bildung keine allzu hohe Beachtung geschenkt wurde.
Doch sicher macht die Digitalisierung, die zunehmende Professionalisierung in allen Wirtschaftsbereichen und der Trend zum Homeoffice auch vor Fuerteventura nicht halt. Die Ansprüche an die Qualifikation von Arbeitnehmern werden auch hier weiter steigen.
Daher wird sich das strukturelle Problem des Arbeitsmarktes auf Fuerteventura auch nach dem Ende der Pandemie in den nächsten Jahren sicher weiter verschärfen, wenn sich an der derzeitigen Nachfrage nach Bildung nichts ändert.
Dabei ist strukturelle Arbeitslosigkeit auf Fuerteventura an sich nichts Neues. Selbst in Zeiten des absoluten Booms im Tourismus und auf dem Bau sank die Arbeitslosenquote praktisch nie signifikant unter 10%.
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Stefan Ehlers, es ist kaum zu glauben, aber hier fangen die Kids mit 5 Jahren, also noch in der Vorschule, mit Englisch an. Das Niveau der Englischlehrer ist allerdings in sehr vielen Fällen unterirdisch, selbst wir als Ausländer verstehen kaum, was sie den Kindern beibringen wollen und sollen. In der Lehrerausbildung scheint es kein verpflichtendes Auslandsjahr o.ä. zu geben, anders lässt sich das für mich nicht erklären. Kommt dazu, dass ganz viele Eltern, und damit auch deren Kinder, auch heute noch der Meinung sind, dass sie auch ohne Fremdsprachen durchs Leben kommen. Während der o.a. Finanzkrise bewarben sich die Leute zuhauf am Flughafen, wo bekanntlich ja auch der eine oder andere Ausländer herumlaufen soll. Auf die Frage, welche Fremdsprache gesprochen wird, kam sehr häufig die Antwort:“ Englisch? (Wahlweise Deutsch, Französisch oder andere), nö, brauche ich nicht, wir sind doch hier in Spanien“. Leider immer noch eine weit verbreitete Vorstellung, die in unserer globalisierten Welt keinem mehr weiterhilft. Und das marode Bildungssystem ist offensichtlich leider nicht in der Lage, den Kindern die Notwendigkeit und auch die Schönheit einer Fremdsprache näher zu bringen. Grüßle Kris
Sehr geehrter Herr Wolf,
schreiben Sie bitte den Lesern, wann auf Fuerteventura die allgemeine
Schulpflicht erst eingeführt wurde!!! – Für die „ältere“ Bevölkerung steht
auf den Kassenbons noch „Peseta“?!?!
mfg
jetzt wird mir einiges klar. Ich frage mich schon lange, wie ein derart niedriges Bildungsniveau überhaupt möglich ist.
Ich bin mir sicher, dass etwa 80 Prozent der Deutschen, die ihren Urlaub auf Fuerteventura verbringen, nur einen Hauptschulabschluss haben. Das Bildungsniveau der Menschen auf Fuerteventura ist in der Tat bedenklich.
Hallo!
WENN denn der Tourismus so sehr im Focus stehen würde, dann wären doch zumindest rudimentäre Grundkenntnisse in Englisch recht nützlich. Das versteht doch jeder Lehrer und jeder Schulrat und jeder Bildungsminister? Scheinbar nicht. Wenn man bis 16 zur Schule gehen muss und noch nicht mal die einstelligen Zahlen auf Englisch verstehen kann (von Deutsch = Mehrzahl der Touristen auf Fuerte ganz zu schweigen), was hat man dann im Tourismus zu suchen? Da hat doch aber auch die Bildungspolitik völlig versagt! Was lernen die denn in den 10 Pflichtjahren auf Fuerteventura überhaupt in der Schule, wenn nicht Fremdsprachen? Ich verstehe die in der Verantwortung stehenden Politiker und Lehrer nicht. Gar nicht. LG Stefan
Hammer, wenn von 15000 knapp 70% keinen Schulabschluss haben dann sind das um die 10000, bei etwas mehr als 100000 Einwohnern in Fuerte sind das 10% – und wenn man mal aus den 100000 Einwohnern noch die ‚Expats‘ aus UK, DE und anderswo rausrechnet (die waren ja als Kind nicht auf der Insel) dann muesste die Prozentzahl noch viel hoeher liegen. Absoluter Wahnsinn dass in einem Nicht-Dritte-Welt-Land diese Zahl so hoch ist!